Systemwandel statt Klimawandel: Was der IPCC-Bericht für die EU Agrarreform heißt.

09.08.2019 | Allgemein

Gestern hat der Weltklimarat (IPCC – International Panel on Climate Change), ein Gremium von über 100 internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, den Vereinten Nationen einen Bericht über den Zusammenhang zwischen Landnutzung (also etwa Land- und Forstwirtschaft) und Klimawandel vorgestellt.

Die WissenschaftlerInnen machen deutlich, dass einerseits Landnutzung zum Klimaerwärmung beiträgt. So entstehen 23% aller menschlichen Treibhausgase bei der Landnutzung. Andererseits hat das sich erhitzende Klima negative Konsequenzen für unsere Ernährungs- und Lebensgrundlagen. Über Landflächen hat sich die globale Durchschnittstemperatur seit 1880 bereits um 1,41 Grad Celsius erhöht. Diese Erhitzung führt zunehmend zu Hitzewellen, Dürren, Waldbränden, Vegetationsverlust, Artensterben und Ernteausfälle. Mit globalen Konsequenzen: mehr Armut, Ungleichheiten und Hunger.

Der IPCC-Bericht stellt fest, dass alle Sektoren einen Beitrag leisten müssen, um die Klimaerwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Dass bedeutet, dass auch radikale Änderungen in der Land- und Forstwirtschaft nötig sind, weltweit und in Europa.

Im Bereich der Landnutzung verstärkt tätig zu werden, kann zu einer win-win-Situation führen. Die IPCC-ExpertInnen sagen, dass dies möglich ist und dass landnutzungsbezogene Maßnahmen zur Anpassung und Reduzierung des Klimawandels außerdem Wüstenbildung und Landverödung vermeiden und Ernährungssicherheit steigern können. Etwa durch nachhaltige Nahrungsproduktion, nachhaltiges Waldmanagement, Verringerung der Abholzung oder der Verringerung von Lebensmittelverschwendung.

Natürlich kann es auch zu schwierigen Abwägungen kommen, bei denen verschiedene Landnutzungsarten in Konflikt geraten. Soll Land zum Beispiel zum Anbau von Pflanzen für Biokraftstoffe, oder zur Ernährung von Menschen genutzt werden? Hier sind keine einfachen Antworten möglich.

Das IPCC betont, dass es Maßnahmemöglichkeiten gibt, um Landnutzungskonflikte zu vermeiden: Zum Beispiel durch eine gesteigerte Produktivität der Nahrungsmittelerzeugung, Änderungen der Ernährungsgewohnheiten oder der Bekämpfung der Nahrungsmittelverschwendung, die etwa 8-10% aller globalen Treibhausgase ausmacht. Auch können Zielkonflikte durch die Einbeziehung verschiedener Interessensgruppen und betroffener Gemeinschaften in den Entscheidungsprozess gemindert oder verhindert werden. Dies muss insbesondere mit Hinblick auf die Rechte, Traditionen und Lebensgrundlagen inidigener Völker, zum Beispiel im Amazonas-Gebiet, in Zukunft noch stärker in den Mittelpunkt gerückt werden.

Die Wissenschaft zeigt uns also die vorhandenen Potenziale auf, um das Klima und den Planeten zu retten. Es ist an der Politik, der internationalen Gemeinschaft, der EU und Deutschland, diese Potenziale zu nutzen und konkrete Maßnahmen zu ergreifen.

Viele Maßnahmen im Bereich der Landnutzung brauchen lange, teilweise Jahrzehnte, um Wirkung zu entfalten (Wälder, zum Beispiel, wachsen nun einmal nur langsam). Der IPCC-Bericht nennt aber auch einige Maßnahmen, die in der nahen Zukunft ergiffen werden können.

Hier sehe ich insbesondere die EU in einer besonderen Verantwortung, global tätig zu werden: zum Beispiel Individuen, Organisationen und Länder im capacity-building zu unterstützen, Wissens- und Technologietransfer zu ermöglichen und Finanzmittel für nachhaltige Landnutzung bereit zu stellen.

Die EU muss aber auch zu Hause ihre Hausaufgaben machen. Derzeit verhandelt das Europäische Parlament mit den Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten die Zukunft der EU-Agrarpolitik. Etwas mehr als ein Drittel des EU-Haushalts wird für Landwirtschaft ausgegeben. Ich will, dass es in Zukunft in der EU-Landwirtschaftspolitik nur noch öffentliche Gelder für öffentliche Güter gibt. Also für eine ökologische Landwirtschaft, die den Klimawandel bekämpft, das Artensterben stoppt und das Tierwohl fördert.

Da dies in den letzten Tagen in Deutschland diskutiert wurde auch noch ein paar Worte zum Thema „Fleischsteuer“: Sie lenkt genau ab von den wichtigen systemischer Veränderungen, die wir treffen müssen. Maßnahmen, die nur die KonsumentInnen in die Pflicht nehmen reichen nicht. Vielmehr muss das gesamte System in den Blick genommen und eine tier- und umweltfreundliche Produktion in den Mittelpunkt der Diskussionen gerückt werden. Die oben erwähnte Reform der EU-Agrarpolitik mit stärkerem Fokus Nachhaltigkeit etwa würde Anreize zur tierwohlgerechten und ökologischen Lebensmittelproduktion setzen. Ein CO2-Preis in allen Sektoren, einschließlich der Landwirtschaft, würde Anreize für eine CO2-sparendere Lebnsmittelproduktion schaffen, was sich in einem niedrigerem Preis im Endprodukt spiegeln würde.

Dies wäre auch im Geiste des IPCC-Berichts, der zwar auch Änderungen des Konsumentenverhalten, nämlich eine verstärkte pflanzliche Ernährung, als einen möglichen Beitrag der Landnutzung zur Minderung der Klimaerwärmung erwägt, aber eben nur als eine Option unter den sehr viel weiter gehenden Möglichkeiten gesamtsystemischer Veränderungen unserer Land- und Forstwirtschaft.