Pressehintergrund zur Vorstellung des Initiativbericht zur EU-Strategie über nachhaltige und kreislauffähige Textilien

12.01.2023 | Allgemein

Brüssel, 12.1.2023

Aufruf zum Ende von Fast Fashion

Die Europäische Kommission hat am 30. März 2022 eine neue EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien vorgestellt. Die Strategie enthält eine Reihe von Maßnahmen und die 2030-Vision der Kommission für den Sektor, darunter: Alle in der EU auf den Markt gebrachten Textilerzeugnisse sind langlebig, reparierbar und recycelbar, bestehen größtenteils aus recycelten Fasern, sind frei von gefährlichen Stoffen und werden unter Einhaltung der sozialen Rechte und der Umwelt hergestellt. Als Reaktion auf diesen Vorschlag wird Delara Burkhardt (SPD) dem Umweltausschuss des Europäischen Parlaments heute ihren Initiativbericht vorlegen.

Livestream der Ausschusssitzung.

Delara BURKHARDT, umweltpolitische Sprecherin der SPD-Europa und Berichterstatterin für den Initiativbericht über eine EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien

„Ich fordere ein sofortiges Verbot der Vernichtung von unverkauften und zurückgegebenen Textilien, denn das hat die von der Leyen-Kommission bisher nicht umgesetzt. Wir brauchen eine Gesetzgebung, die verhindert, dass unverkaufte Kleidung geschreddert oder auf Deponien gebracht wird, nur weil sie nicht mehr in Mode oder billiger zu entsorgen ist.“

„Wir haben jetzt die Chance zu entscheiden, ob nachhaltige Kleidung nur ein Lebensstil für Menschen sein wird, die es sich leisten können, oder ob sie zur Norm wird und für jede*n verfügbar ist. Die Verantwortung für nachhaltigen Konsum darf nicht länger auf die Verbraucher*innen abgewälzt werden, sondern das bestehende lineare Modell muss gestoppt werden – hin zu einer kreislauffähigen und humanen Textilindustrie, die nicht mehr auf Massenproduktion setzt.“

„70 % der mit dem Textilkonsum in der Europäischen Union verbundenen Emissionen finden außerhalb der EU statt. Ich fordere eine europäische Gesetzgebung, die garantiert, dass unsere Mode nicht auf Kosten von Umweltzerstörung und menschlichem Leid in anderen Teilen der Welt produziert wird. Die Unternehmen müssen für den gigantischen CO2-Fußabdruck, den sie verursachen, zur Verantwortung gezogen werden.“

Warum bedarf es einer EU-Gesetzgebung?

Der Textilkonsum in Europa hat heute die viertgrößten[2]<https://webmail.ep.europa.eu/owa/#x__ftn2> Auswirkungen auf die Umwelt und den Klimawandel, nach Lebensmitteln, Wohnraum und Mobilität. Beim Wasserverbrauch und der Flächennutzung stehen Textilien an dritter Stelle, beim Verbrauch von Primärrohstoffen und den Treibhausgasemissionen an fünfter. Die weltweite Textil- und Bekleidungsindustrie ist derzeit für 92 Millionen Tonnen Abfall pro Jahr verantwortlich. Eine Industrie, die hauptsächlich von fossilen Brennstoffen angetrieben wird. Im Jahr 2015 wurden weltweit 98 Millionen Tonnen Erdöl allein für die Modeindustrie verbraucht. Vor allem für die Herstellung von Kunstfasern, die einen großen Teil der verwendeten Materialien ausmachen. Es wird geschätzt, dass sich bereits 1,4 Billionen Mikrofasern in den Ozeanen befinden. Den größten Anteil daran hat das Waschen von Kleidung aus Kunstfasern, nämlich 35 %. Jedes Jahr landen allein 552 Tonnen Mikrofasern im Wasser.

Wir produzieren mehr Kleidung und Textilien als je zuvor. Allein in der EU ist die Nachfrage in den letzten Jahrzehnten um 40 % gestiegen. Gleichzeitig tragen wir unsere Kleidung im Durchschnitt nur ein paar Mal. Es gibt mehr Kollektionen als Jahreszeiten, schnellere Trends, und bevor die neue Kollektion in den Geschäften und auf den Internetseiten zu finden ist, wird die Kollektion von gestern entsorgt. Gleichzeitig wird nur 1 % der Kleidung recycelt.

Doch nicht nur die Umwelt zahlt den Preis, sondern auch die Menschen, die unsere Textilien entlang der gesamten Lieferkette herstellen. In der Branche sind weltweit 60 Millionen. Menschen beschäftigt, die meisten von ihnen Frauen. Die Löhne der Textilarbeiter*innen sind oft weit von existenzsichernden Löhnen entfernt. Unbezahlte Überstunden, Gesundheitsrisiken, keine festen Verträge, psychische und physische Misshandlungen sind nur einige der Probleme in der Branche.

Ein Ende von Fast Fashion: Die wichtigsten Forderungen aus dem BURKHARDT-Initiativbericht:

· Die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um Fast Fashion ein Ende zu setzen.

· Die Europäische Kommission muss einen Paradigmenwechsel in der Fast Fashion Industrie setzen, um die Überproduktion zu beenden.

· Die Europäische Kommission wird aufgefordert, ein sofortiges Verbot der Vernichtung von unverkauften und zurückgegebenen Textilwaren zu erlassen. Darüber hinaus fordert die Berichterstatterin die Offenlegung der Anzahl der jährlich auf den Markt gebrachten und der nicht verkauften Textilprodukte.

· Im Rahmen der Ecodesignverordnung plant die Europäische Kommission für unterschiedliche Produktgruppen Nachhaltigkeitstandards, in sogenannten delegierten Rechtakten festzusetzen. Burkhardts Bericht fordert hier Kleidung und Schuhe im den Vordergrund zu bearbeiten.

· Die Europäische Kommission wird aufgefordert, weitere EU-Gesetzgebung zur vollständigen Dekarbonisierung des Textilsektors zu erlassen, da 70 % der Emissionen im Zusammenhang mit dem Textilkonsum in der Europäischen Union außerhalb der EU anfallen.

· Die Europäische Kommission muss klare Ziele und Maßnahmen festlegen, um die Freisetzung von Mikroplastik in die Umwelt zu verhindern und zu minimieren, wobei unbeabsichtigte und beabsichtigte Freisetzungen, z. B. beim Waschen und Trocknen durch Industrie und Privathaushalte, zu berücksichtigen sind. Die Ökodesign-Verordnung sollte daher Anforderungen festlegen, die Stoffe begünstigen, die nachweislich weniger Mikroplastik freisetzen.

· die Kommission wird aufgefordert, das volle Potenzial des digitalen Produktpasses zu nutzen, um eine klare Transparenz und Rückverfolgbarkeit der Wertschöpfungskette zu unterstützen. Die Unternehmen sollten Informationen über die Verwendung von Materialien und Chemikalien offenlegen. Darüber hinaus sollte der digitale Produktpass den Verbrauchern Informationen über soziale Aspekte sowie Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen liefern.

· die Europäische Kommission wird aufgefordert, klare Regeln für verbindliche Menschenrechte festzulegen, die einen Übergang zu einem nachhaltigeren und kreislauffähigen Ökosystem in der Textilindustrie ermöglichen. Die Europäische Union sollte die Gelegenheit nicht verpassen, die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung der Beschäftigten zu verbessern. Darüber hinaus sollten Maßnahmen gegen schädliche Einkaufspraktiken von Unternehmen, wie z.B. die Stornierung von Aufträgen in letzter Minute, durch eine Überarbeitung der bestehenden Gesetzgebung verboten werden.