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Heute hat die Europäische Kommission ihre Pläne für ein europäisches Wiederaufbauprogramm vorgestellt. Dieses Wiederaufbauprogramm, „Next Generation EU“, soll für die Jahre 2021 und 2022 750 Milliarden Euro umfassen und in den nächsten Haushalt der EU für 2021-2027 eingebettet sein. Dieser EU-Haushalt soll zusätzlich eine Größe von 1.100 Milliarden Euro haben. Für mich ist klar: Die Milliarden Euros, die jetzt zur Ankurbelung in die europäische Wirtschaft gesteckt werden, müssen nachhaltig investiert werden. Dazu hatte ich schon vor ein paar Wochen vier Anforderungen an eine nachhaltige EU-Wiederaufbauinitiative gestellt (hier), an denen ich den heutigen Kommissionsvorschlag messe. Meine Anforderungen werden zum Teil erfüllt, aber in anderen Aspekten bleiben die heutigen Kommissionvorschläge dahinter zurück oder sind noch sehr schwammig. So wurde die Chance für den ganz großen Green-Deal-Neustart leider vertan.
Positiv anzumerken ist, dass meine erste Anforderung erfüllt wird: Der Green Deal soll die Basis der wirtschaftlichen Erholung sein. Die Kommission bekennt sich ausdrücklich zum Green Deal als europäische Wachstumsstrategie und betont, dass der ökologische Wandel nun wichtiger ist als je zuvor und durch das Wiederaufbauprogramm beschleunigt werden solle. Der Green Deal liegt also nicht auf Eis.
Zweitens habe ich gefordert, dass die Hälfte der Mittel aus der EU-Wiederaufbauinitiative für nachhaltige Investitionen genutzt werden sollen. Ich habe vorgeschlagen, dass diese Investitionen den Kriterien des EU-Klassifikationssystems für nachhaltige Finanzen (Taxonomie) entsprechen müssen. Die Kommission betont in ihrem Vorschlag nun ausdrücklich, dass Teile des Wiederaufbauprogramms in nationale Projekte des Green Deals fließen sollen. Aber wie groß dieser Anteil sein soll, wird leider nicht erwähnt. Auch sagt sie, dass die Taxonomie die Investitionen des Wiederaufbaus leiten werden Für uns Sozialdemokrat*innen war immer wichtig, dass bei der ökologischen Wende niemand zurückgelassen wird. Daher ist die Ankündigung einer Renovierungswelle, um die Renovierungsrate von Gebäuden mindestens zu verdoppeln, besonders erfreulich. Genauso die Ankündigung, dass der „Just Transition Fund“, der Regionen im Strukturwandel hin zur Klimaneutralität unterstützen, mit zusätzlichen 32,5 Milliarden Euro vervierfacht werden soll. Das sind Maßnahmen, die dabei helfen, dass Energierechnungen bezahlbar bleiben, lokale Jobs geschaffen und Menschen in CO2-intensiven Berufen neue Chancen gegeben werden.
Drittens habe ich gefordert, dass alle Investitionen den Zielen des Green Deals nicht entgegenlaufen dürfen. Dieses Prinzip bekräftigt die Kommission nun auch in ihrem Vorschlag, präsentiert aber keine Details, wie dies genau überprüft werden soll. Innerhalb des Wiederaufbauprogramms schlägt die Kommission einen Topf für Staatshilfen für Firmen an, die wegen der Corona-Krise in Not geraten sind. Leider begleitet die Kommission dies nicht mit einem Vorschlag, dass diese Hilfen an Nachhaltigkeitskriterien gebunden sein sollen. Ökologische Investitionen sollen lediglich durch dieses Instrument priorisiert werden.
Die Kommission hat neben dem Wiederaufbauprogramm auch ein Update ihres Vorschlags für den EU-Haushalt der nächsten sieben Jahre vorgestellt. Dabei handelt es sich aber leider nur um kleinere Änderungen und nicht um eine generelle Überarbeitung des Haushalts. Und hier setzt meine vierte Anforderung an, dass der EU-Haushalt neu und konsequent auf den Green Deal ausgerichtet werden muss. Die Kommission will weiterhin nur ein Viertel des EU-Haushalts für Klimaausgaben vorsehen. Die EU-Agrarpolitik soll nicht grundlegend reformiert werden. Immerhin soll die finanzielle Ausstattung der zweiten Säule der Agrarpolitik, durch die auch Umweltmaßnahmen finanziert werden, gestärkt werden. Aber der weitaus größere Teil, die erste Säule mit Direktzahlungen für landwirtschaftliche Flächen, der kaum Anreize für ökologisches Wirtschaften setzt, soll leider unverändert bleiben.
So ziehe ich vorläufig ein gemischtes Fazit über das heutige EU-Rettungspaket der Kommission. Es ist leider nicht der ganz große Wurf geworden, der als Kickstarter für die sozial-ökologische Wende dienen kann. Andererseits ist man auch nicht der Versuchung nachgegangen, den Green Deal nun der wirtschaftlichen Erholung zu opfern.
So bleibt der heutige Aufschlag ein kleiner Anschub für die sozial-ökologische Wende, bei dem einige Maßnahmen und Konzepte noch nachgeschärft werden müssen in den konkreten Gesetzesvorschlägen der Kommission.
+++ english version +++
Today the European Commission presented its plans for a European reconstruction programme. This reconstruction programme, „Next Generation EU“, will amount to 750 billion euros for 2021 and 2022 and will be embedded in the next EU budget for 2021-2027. This EU budget is to have an additional size of 1,100 billion euros. It is clear to me that the billions of euros that are now being put into the European economy to boost it must be invested sustainably. To this end, a few weeks ago I already set four requirements for a sustainable EU reconstruction initiative (here), against which I measure today’s Commission proposal. My requirements are partly met, but in other aspects today’s Commission proposals fall short of them or are still very vague. Thus the opportunity for the very big Green Deal relaunch has unfortunately been missed.
On the positive side, my first requirement is being met: The Green Deal should be the basis for economic recovery. The Commission is expressly committed to the Green Deal as a European growth strategy and emphasises that ecological change is now more important than ever and that the reconstruction programme should accelerate it. So the Green Deal is not on ice.
Secondly, I have called for half the funds from the EU reconstruction initiative to be used for sustainable investment. I have proposed that these investments must meet the criteria of the EU’s sustainable finance classification system (taxonomy). In its proposal, the Commission now explicitly emphasises that parts of the reconstruction programme should be channelled into national Green Deal projects. Unfortunately, however, no mention is made of how large this share is to be. It also says that the taxonomy will guide the reconstruction investments. For us Social Democrats* it has always been important that no one is left behind when the ecological turnaround takes place. Therefore, the announcement of a wave of renovation to at least double the rate of renovation of buildings is particularly welcome. The same applies to the announcement that the „Just Transition Fund“, which supports regions in structural change towards climate neutrality, is to be quadrupled with an additional 32.5 billion euros. These are measures that will help keep energy bills affordable, create local jobs and give people in CO2-intensive occupations new opportunities.
Thirdly, I have called for all investments not to run counter to the objectives of the Green Deal. The Commission now reaffirms this principle in its proposal, but does not present any details of how this is to be closely monitored. Within the reconstruction programme, the Commission is proposing a pot for state aid for companies in need because of the Corona crisis. Unfortunately, the Commission does not accompany this with a proposal that this aid should be linked to sustainability criteria. Only this instrument is intended to prioritise ecological investments.
In addition to the reconstruction programme, the Commission has also presented an update of its proposal for the EU budget for the next seven years. Unfortunately, however, these are only minor changes and not a general revision of the budget. And this is where my fourth demand comes in, namely that the EU budget must be reoriented and consistently geared towards the Green Deal. The Commission still only wants to earmark a quarter of the EU budget for climate expenditure. EU agricultural policy is not to be fundamentally reformed. After all, the financial resources of the second pillar of agricultural policy, which also finances environmental measures, are to be strengthened. The far greater part, though, the first pillar with direct payments for agricultural land, which provides hardly any incentives for ecological management, is unfortunately to remain unchanged.
So, for the time being, I draw a mixed conclusion about the Commission’s current EU rescue package. Unfortunately, it has not become the great success that can serve as a kick-start for the socio-ecological turnaround. On the other hand, the temptation to sacrifice the Green Deal to economic recovery has not been resisted.
So today’s surcharge remains a small kick start for the socio-ecological turnaround, and some measures and concepts still need to be sharpened up in the Commission’s specific legislative proposals.