Bei „Was verdient die Frau“ vom Deutschen Gewerkschaftsbund, durfte ich in der Themenwoche „Solidarität“aufschreiben, warum wir die internationale Gewerkschaftsbewegung brauchen.
Die Welt ist heute enger vernetzt denn je. Das trifft auf viele verschiedene Bereiche unseres alltäglichen Lebens zu. Wir trinken morgens Kaffee aus Südamerika und schauen parallel dazu die Instagram-Storys von Menschen aus aller Welt an. Kaum vorstellbar, wie es wäre, wenn unsere aktuellen Lieblingssongs ausschließlich aus Deutschland kämen. Oder wenn statt der neuen dänischen Lieblingsserie nur die Schwarzwaldklinik für den Serienmarathon verfügbar wäre.
Auch persönliche Kontakte enden nicht an Landesgrenzen. Sei es durch Freundinnen und Freunde, die man bei einem Jugendaustausch kennengelernt hat oder auch durch die eigene Familiengeschichte, so wie es bei mir der Fall ist.
Internationale Vernetzung ist auch in der Wirtschaft sichtbar. Der Kaffee, den wir am Frühstückstisch trinken, hat eine Weltreise zurückgelegt bevor er bei uns ankam. Wahrscheinlich ist die Kaffeefirma ein großer Konzern, der grenzüberschreitend Geschäfte macht.
Die Herausforderung hierbei ist der Standortwettbewerb. Warum sollte ein Unternehmen in einem Land mit hohen Löhnen und hohen sozialen Standards produzieren? Genau diese Frage ist häufig die Rechtfertigung dafür, soziale Sicherungssysteme zu schwächen und Arbeitnehmer_innenrechte auszuhöhlen. Es läge eigentlich nahe, dass in Folge des zunehmenden Wettbewerbs die internationale Zusammenarbeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abnimmt und sie versuchen würden sich gegenseitig auszustechen im Wettkampf darum, wohin große Firmen ihre Produktion verlegen. Es ist dem Grundwert der internationalen Solidarität in der Arbeiter_innenbewegung zu verdanken, dass eben genau das nicht bei den Gewerkschaften passiert ist. Sie setzten dem größeren Wettbewerb eine noch größere Zusammenarbeit entgegen.
International vernetzt
Unternehmen sind heute nicht mehr an Ländergrenzen gebunden. Deshalb müssen auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich grenzübergreifend zusammentun, um für faire Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Der DGB ist auf verschiedenen Ebenen in Dachorganisationen eingebunden. Auf europäischer Ebene ist er Teil des Europäischen Gewerkschaftsbundes (englisch ETUC), der insgesamt 60 Millionen Menschen aus verschiedenen Branchen aus ganz Europa umfasst. Außerdem ist der DGB Mitglied des Internationalen Gewerkschaftsbundes (englisch ITUC). Dieser beherbergt über 200 Millionen Mitglieder aus 163 Ländern. Diese Zusammenschlüsse sind nicht nur ein bedeutendes Zeichen, sondern sie sind auch ein wichtiger Schritt, um weltweit gemeinsam gegen Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen vorzugehen. Gerade in Zeiten in denen rückwärtsgewandte Populisten in Regierungen gewählt werden, braucht es vereinte Kräfte, um für gute Arbeits- und Lebensbedingungen einzutreten.
Rechtspopulisten entgegentreten
Wir erleben, dass sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der Politik der etablierten Parteien nicht gestützt, sondern teilweise regelrecht verraten fühlen. Auch sozialdemokratische Parteien müssen hier kritisch die eigene Rolle hinterfragen. Zum Beispiel wenn es um die Flexibilisierung von Beschäftigung und die Schaffung prekärer Arbeitsverhältnisse geht. In Italien kann man derzeit sehr eindrucksvoll miterleben, wie die Arbeitsmarktpolitik des ehemaligen Premierministers Renzi, anti-europäischen Kräften Aufwind gab. Unsichere Arbeitsverhältnisse, die beispielsweise durch eine Lockerung des Kündigungsschutzes entstanden, sind perfekter Nährboden gewesen für populistische Ansichten. Die Rechten nutzen diese Gelegenheit, um ganz auf Abschottung zu setzen. Nach dem Motto: mit verschlossenen Grenzen, wäre das nicht passiert, oder indem sie die Schuld für soziale Ungerechtigkeit bei Geflüchteten suchen. Die Gewerkschaften des ETUC und des ITUC nehmen das nicht hin, sondern halten mit ihren demokratischen Grundüberzeugungen dagegen. Statt gegen Menschen in Not zu hetzen, setzen sie sich für Solidarität ein. Das ist wichtig, denn gegen Geflüchtete Politik zu machen ist nicht gerecht. Wir müssen stattdessen die Fluchtursachen bekämpfen. Für mich gehört dazu auch ein Rüstungsexportstopp für alle Rüstungsgüter außerhalb der Europäischen Union. Aber auch die Arbeit des ITUC ist wichtig, der sich für faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen auf der ganzen Welt einsetzt. Wenn Menschen nicht wegen Kriegen oder Armut ihr Zuhause verlassen müssten, wäre schon viel in Sachen soziale Gerechtigkeit auf der Welt getan.
Gleichberechtigung als globale Herausforderung
Auch auf dem Feld der Gleichberechtigung ist die internationale Zusammenarbeit von Gewerkschaften von großer Bedeutung. Hier gibt es noch viel zu tun! Der sogenannte Gender Pay Gap, also die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, existiert nach wie vor. Darüber hinaus sind es besonders Frauen, die prekärer und unterbezahlter Arbeit nachgehen. Ein Bereich, der besonders ins Auge fällt, ist der der Hausangestellten. Die Mehrheit von ihnen sind Frauen. Oftmals sind sie mit systematischer Ausbeutung oder Misshandlung am Arbeitsplatz konfrontiert. Hier ist der klassische Zusammenschluss der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht so naheliegend wie bei einem klassischen Betrieb. Trotzdem schließen sich mittlerweile zahlreiche Hausangestellte Gewerkschaften an und profitieren von gemeinsamen Tarifverhandlungen. Aber auch in anderen Berufsfeldern kämpfen Frauen noch um die gleichen Arbeitsbedingungen wie ihre männlichen Kollegen. Darauf machte zuletzt der Hashtag #metoo aufmerksam. Von der Textilarbeiterin bis zur Ärztin – Frauen erleben sexuelle Übergriffe und sexuelle Belästigung an ihren Arbeitsplätzen. Die Diskussion über dieses Tabu-Thema war und ist wichtig. Jetzt wird es höchste Zeit, dass der theoretischen Auseinandersetzung Taten und Maßnahmen folgen, damit solche Erfahrungsberichte bald der Vergangenheit angehören und Frauen gleichberechtigt arbeiten können.
Soziale Antwort auf den Klimawandel
Ein dritter Bereich, in dem die internationale Kooperation der Gewerkschaften unersetzlich ist, ist der Klimawandel. Um die Klimaziele von Paris erfüllen zu können und die 1,5°C- Erderwärmung nicht zu überschreiten, wird die Wirtschaft sich nachhaltig verändern müssen. Es wird bestimmte Berufszweige, wie den Kohleabbau, nicht mehr geben. Andere, wie die Autoindustrie, werden sich grundlegend verändern, da beispielsweise die Entwicklung weg von Verbrennungsmotoren und hin zu E-Mobilität bevorsteht. Auf der anderen Seite wird es jedoch auch zahlreiche neue Berufszweige geben. Die Gewerkschaften setzen sich hierbei dafür ein, dass der Umbau der Wirtschaft sozial gerecht gestaltet wird. Der Druck, den sie als Interessengruppe auf die politischen Entscheidungsträger_innen weltweit ausüben, ist wichtig. Die Energiewende ist notwendig, aber gleichzeitig muss sie den Anspruch haben, inklusiv zu funktionieren und nicht zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Jeder und jede soll in Zukunft Zugang zu sauberer Luft, sauberer Energie und sauberem Wasser haben.
Zusammen statt gegeneinander
Wir brauchen die laute Stimme der Gewerkschaften in vielen Bereichen, vor allem in frauen- und gleichstellungspolitischen Herausforderungen ist sie unverzichtbar. Dabei gilt: je mehr, desto lauter. Zur Zeit ist nur ein Drittel der knapp sechs Millionen Gewerkschaftsmitglieder im Deutschen Gewerkschaftsbund weiblich, im internationalen Gewerkschaftsbund sind es immerhin rund 40%. Damit wir Erwerbsarbeit, aber auch die Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit in Zukunft mitgestalten und für Frauenrechte weltweit eintreten können, müssen wir uns zusammentun: nur gemeinsam sind wir stark. Deshalb ist auch der Zusammenschluss über nationale Grenzen hinweg ein richtiger Schritt gewesen. Die internationale Zusammenarbeit ist gleichzeitig ein Zeugnis dafür, was die besondere Stärke der Gewerkschaftsbewegung ist. Es ist die Kooperation, die dem Wettbewerb als Prinzip entgegengestellt wird. Anstatt sich spalten zu lassen, wird enger zusammengerückt. Gemeinsam mit den Gewerkschaften werde ich mich als Europaabgeordnete dafür einsetzen, Globalisierung endlich sozial zu gestalten.