Pressebriefing Ergebnis des Trilogs zur EU-Entwaldungs-Verordnung

06.12.2022 | Allgemein

Pressebriefing

Ergebnis des Trilogs zur EU-Entwaldungs-Verordnung

6.12.2022

+++ Für eine Übersicht zu den größten Streitigkeiten und den Ergebnissen des Trilogs, siehe weiter unten. +++

Zitate

In der Nacht von Montag, 5. Dezember, fand die letzte Verhandlungsrunde des Trilogs zur EU-Entwaldungsverordnung statt. Um 3.40 Uhr morgens wurde eine Einigung zwischen dem Europäischen Parlament, Rat der Europäischen Union und Europäischer Kommission erzielt.

Einschätzung von MdEP Delara Burkhardt (SPD), umweltpolitische Sprecherin der SPD-Europaabgeordneten und Chef-Verhandlerin der sozialdemokratischen Fraktion für die EU-Entwaldungs-Verordnung:

„Europa sagt der von ihr verursachten globalen Urwaldvernichtung den Kampf an. Das Europäische Lieferkettengesetz gegen Entwaldungsrisiken wird kommen. Und das ist auch dringend nötig. Denn es ist verrückt: Bisher ist es völlig legal, den Amazonas-Regenwald abzuholzen, das Holz in der EU zu verkaufen und auf den frei gewordenen Flächen Rinder zu halten und die Steaks in europäischen Supermärkten anzubieten. Damit wird bald Schluss sein. Mit dem heutigen Ergebnis der Trilog-Verhandlungen zwischen Europäischen Parlament, Rat der Europäischen Union und Europäischer Kommission leistet die EU einen riesigen Dienst für die Regenwälder der Welt und für europäische Verbraucherinnen und Verbraucher. Produkte wie Rindfleisch, Holz, Soja, Palmöl, Kautschuk, Kaffee oder Kakao, dürfen bald nur noch auf dem europäischen Markt verkauft werden, wenn die Importeure nachweisen können, dass für den Anbau und die Produktion keine Regenwälder in Ackerflächen umgewandelt wurden. Verbraucherinnen und Verbraucher können sich dann sicher sein, dass ihre Einkäufe nicht mehr zur Vernichtung von Regenwäldern beitragen.“

„Auch wenn einige schmerzhafte Kompromisse gemacht werden mussten, setzt diese Verordnung einen globalen Goldstandard für Sorgfaltspflichten für entwaldungsfreie Lieferketten. Ähnliche Gesetze, die zur Zeit in den USA und Großbritannien zur Diskussionen stehen, sind weniger ambitioniert. Damit kann die EU auf der Weltnaturschutzkonferenz in Montreal als glaubwürdiger Vorreiter für verstärkten globalen Naturschutz auftreten.“

„Das Europäische Parlament kann sich einige Erfolge auf die Fahne schreiben. Wir haben es geschafft, gegen den Willen des Ministerrats und der europäischen Forstlobby größere Waldflächen durch eine verbesserte Definition von Waldschäden abzudecken. Gegen die Reifenherstellerlobby konnten wir den großen Entwaldungstreiber Kautschuk in die Verordnung mit aufzunehmen. Und wir konnten die Rolle indigener Gemeinschaften stärken. Produkte für den europäischen Markt dürfen künftig nicht mehr mit Landraub in Verbindung stehen.“

„In einigen Punkten musste das Europäische Parlament leider schmerzhafte Kompromisse eingehen. Finanzinstitute werden nicht unmittelbar durch die Verordnung dazu verpflichtet werden, ihre Investitionen auf Entwaldungsrisiken zu analysieren und diese abzustellen. Immerhin wird die Europäische Kommission in zwei Jahren eine Einschätzung vorlegen müssen, ob geltendes EU-Recht ausreichend ist, um der Rolle von Banken, Versicherungen, Pensionsfonds, und Co. bei der globalen Entwaldung gerecht zu werden und gegebenenfalls einen gesonderten Gesetzesvorschlag vorzulegen. Das Signal an den Markt ist damit klar: die EU hat die Umweltauswirkungen des Finanzsektors im Blick!

Leider hat sich der Rat vehement dagegen verschlossen, nicht nur Wälder, sondern auch andere wichtige Ökosysteme, wie Buschlandschaften durch die Verordnung abzudecken. Damit besteht die Gefahr, dass landwirtschaftliche Aktivitäten einfach von nun geschützten Wäldern auf weiterhin ungeschützte Savannen-Landschaften ausweichen, so wie dies bereits in der südamerikanischen Cerrado-Savanne beobachtet werden kann. Für das Klima und den Artenschutz ist dadurch nicht viel gewonnen. Wenigstens konnten sich die Gesetzgeber darauf einigen, dass die Kommission sich dieser Situation in spätestens einem Jahr annehmen soll.“ 

 

Hintergrund:

In den technischen Details der Verordnung konnten bis zum Beginn des letzten politischen Trilogs auf Mitarbeiterebene gute Fortschritte erzielt werden. Bei den großen, politischen Fragen wurden bis dahin kaum Fortschritte gemacht. Das Europäische Parlament hat sich hierbei konstruktiv gezeigt und verschiedene Alternativvorschläge zur Kompromissfindung vorgelegt, die teilweise ein starkes Abweichen von der ursprünglichen EP-Position bedeuten. Die tschechische Ratspräsidentschaft hat jedoch kaum Verhandlungswillen gezeigt, oder gar eigene Gegenvorschläge auf den Verhandlungstisch gelegt. Da diese Verordnung nicht nur für Produzenten in außereuropäischen Drittstaaten, sondern auch für Produzenten innerhalb der EU gelten würde, spielen nationale forst- und landwirtschaftliche Interessen im Rat eine große Rolle.

 

Somit waren noch einige Punkte für den letzten politischen Trilog offen. Es wurden dazu folgende Ergebnisse erzielt:

Waldschädigung

Einer der größten Streitpunkte. Der Kommissionsvorschlag sah vor, dass auch kleinere Aktivitäten in Wäldern, die ihr Ökosystem beeinträchtigen, als Beiträge zur Waldschädigung gelten sollen, die das auf-den-Markt-Bringen von Produkten, die damit in Verbindung stehen, unterbinden würden. Das EP hat diesen Ansatz unterstützt.

Der Rat hat diesen Punkt drastisch geschwächt. Laut Rat soll nur die Umwandlung größerer Urwald-Flächen in Plantagen oder Steppenlandschaften als Waldschädigung zählen. Damit wäre die EU praktisch nicht von dieser Anforderung betroffen, da es auf unserem Kontinent kaum noch Urwälder gibt. Aber auch in der EU werden immer noch andere Wälder durch Holzeinschlag geschädigt. Eine Ausweitung dieses Konzepts ist also dringend nötig. Besonders die Waldreichen EU-Mitgliedsstaaten Schweden, Finnland, Estland, Tschechien und Österreich stehen hier auf Druck ihrer starken Forstwirtschaftslobby auf der Bremse.

Trilog-Ergebnis: Das EP konnte sich hier durchsetzen. Auch die Umwandlung von Sekundärwäldern in Plantagen oder Buschland wird nun als Waldschädigung gezählt, sowie die Umwandlung von Urwäldern in gepflanzte Wälder. Letzteres würde auch die letzten verbliebenen europäischen Urwälder besser schützen. Das war ein großer Erfolg für das EP, was sich auch daran zeigt, dass die Ratspräsidentschaft damit drohte, dass dies dazu führen könne, dass 10 Mitgliedsstaaten im Rat nicht zustimmen.

 

Ausweitung auf andere Ökosysteme

Das Europäische Parlament fordert, dass nicht nur Wälder durch diese Verordnung geschützt werden, sondern auch Buschlandschaften („other wooded land“ in der Terminologie der Food and Agriculture Organisation (FAO)). Damit würden z.B. große Teile der südamerikanischen Cerrado-Savanne abgedeckt werden, die ähnlich wie der Amazonas-Regenwald, zunehmend zur landwirtschaftlichen Nutzung zerstört wird.

Die Kommission hat das in ihrem ursprünglichen Gesetzesvorschlag nicht vorgesehen. Die Ratspräsidentschaft weigert sich ebenfalls. Jedoch gibt es im Rat auch Mitgliedsstaaten, die sich dafür grundsätzlich offen zeigen (Deutschland, Frankreich, Spanien, Rumänien, Niederlande, Belgien, Slowenien). Hier könnte es also noch Bewegung geben.

Trilog-Ergebnis: „Other wooded land“ wird nicht unmittelbar Teil der Entwaldungs-Vorordnung. Aber schon in einem Jahr soll die EU-Kommission die Möglichkeit untersuchen und einen Vorschlag zur Erweiterung des Gesetzes um „other wooded land“ vorlegen.

 

Ausweitung auf andere Rohstoffe und Produkte

Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, dass anfangs die Rohstoffe Holz, Soja, Kaffee, Kakao, Palmöl und Rinder, sowie einige daraus hergestellte Produkte von der Verordnung umfasst werden sollen. Der Rat unterstützt diesen Vorschlag. Kommission und Rat argumentieren, dass dies die einzigen Rohstoffe waren, die in durch eine Folgenabschätzung gegangen sind. Das Europäische Parlament fordert, dass weitere Rohstoffe und Produkte aufgenommen werden sollen. Insbesondere Kautschuk und Mais sollten Teil der Verordnung sein. Auch diese Rohstoffe wurden von den WissenschaftlerInnen, welche die Hintergrundanalysen für die Folgenabschätzung der Kommission durchgeführt haben, untersucht. Die WissenschaftlerInnen beschwerten sich über eine Fehlinterpretation ihrer Daten durch die Kommission und kamen zu dem Schluss, dass die derzeitigen Erkenntnisse nicht die Empfehlung unterstützten, Kautschuk und Mais nicht in die Verordnung aufzunehmen. Der Rat scheint sich mittlerweile gegenüber der Idee zu öffnen, Kautschuk aufzunehmen, stellt sich aber immer noch gegen Mais (insb. Frankreich und Rumänien). Hier spielen sicherlich starke heimische Landwirtschaftsinteressen eine Rolle, schließlich wird Mais als Futtermittel in der Viehzucht benötigt.

Trilog-Ergebnis: Kautschuk wird in die Verordnung aufgenommen, inkl. Reifen. Dies war von der Reifen-Lobby hart umkämpft. Mais wird nicht Teil der Verordnung, die Aufnahme wird aber in einer Revision in zwei Jahren geprüft.

 

Schutz indigener Landrechte

Indigene Gemeinschaften werden zu Recht als „Hüter der Regenwälder“ bezeichnet. Wo ihre Landbesitzrechte klar geregelt und geschützt werden, steht es oft besser um den Schutz von (Regen)wäldern. Das Europäische Parlament fordert daher, dass Importeure und Exporteure von Waldrisiko-Gütern sich vergewissern und bestätigen müssen, dass ihre Produkte nicht von Gebieten stammen, die gegen den Willen indigener Gemeinschaften landwirtschaftlich genutzt wurden. Der Rat ist bereit, dies für Produktionsländer festzuschreiben, in denen es bereits Gesetze zu (indigenen) Landrechten gibt. Dem Europäischen Parlament geht das nicht weit genug. Dieses Prinzip muss auch dort eingehalten werden, wo es keine oder mangelnde Gesetze zum Schutz (indigener) Landrechte gibt (siehe z.B. Brasilien). Auch in der EU wäre das ein wichtiges Instrument zur Wahrung indigener Rechte – in der Vergangenheit wurden z.B. die Rechte der schwedischen Sami-Bevölkerung nicht ausreichend vor der schwedischen Holzindustrie geschützt. Auch in den französischen Überseegebieten werden Landrechte der indigenen Gemeinschaften unzureichend geschützt. Es ist auch Schweden, von dem bekannt ist, dass es sich gegen die Einbeziehung dieser Rechte stellt. Die Ratspräsidentschaft zeigte sich bei dieser Frage zuletzt jedoch rückhaltend offen, ohne jedoch konkrete Kompromisslinien aufzuzeigen.

 

Trilog-Ergebnis: Es werden nur Landbesitzrechte gelten, die in den Produktionsländern umgesetzt wurden. Das EP konnte aber wenigstens durchsetzen, dass es detailliertere Vorgaben gibt, wie Unternehmen das überprüfen sollen.

 

Einbeziehung von Finanzinstituten

Das Europäische Parlament fordert, dass auch Banken, Versicherer, Pensionsfonds etc., die Aktivitäten finanzieren, welche zur Entwaldung beitragen, künftig ihre Investitionen auf Entwaldungsrisiken untersuchen und diese abstellen müssen.

Die Kommission hat das in ihrem Vorschlag nicht vorgesehen. Der Rat lehnt dies kategorisch ab. Er hat keinerlei alternativer Kompromissvorschläge zu diesem Thema vorgelegt. Aber um ein Ergebnis zu erzielen, wird sich der Rat bewegen müssen. Die Finanzbranche wird in irgendeiner Form einbezogen werden müssen. Andernfalls ist eine Zustimmung des Europäischen Parlaments zum Gesamtpaket kaum vorstellbar.

 

Trilog-Ergebnis: Finanzinstitute werden nicht unmittelbar Teil der Verordnung. Aber die Kommission wird in der Revision in zwei Jahren die Notwendigkeit der Ausweitung von Entwaldungs-Sorgfaltspflichten auf Finanzinstitute prüfen und ggf. einen Vorschlag machen. Schon das ist ein großer Erfolg für das EP, denn der Rat hat sich selbst dagegen bis zuletzt gewehrt.

 

Geolokalisierung

Das Herzstück des Mechanismus, auf dem die Verordnung beruht. Hierzu konnte im vorangegangen politischen Trilog bereits eine Einigung gefunden werden. Unternehmen, die Entwaldungs-Risiko-Produkte auf den EU-Markt bringen wollen, müssen für diese Produkte immer die Daten zur Geolokalisierung vorweisen können. Stammen die Produkte von Anbauflächen, die größer als vier Hektar sind, müssen die Daten des Umrisses der Anbaufläche vorgewiesen werden können.

Diese Geolokalisierungsdaten können mit Satellitenbildern abgeglichen werden, um so festzustellen, ob sich die Anbauflächen in Gebieten befinden, auf denen sich vor dem 31.12.2020 ein Wald befand und somit zur Entwaldung beigetragen haben.

 

Der weitere Prozess:

Es wird eine weitere Verhandlungsrunde auf technischer Ebene geben, um die Details der Verordnung auszuarbeiten.

Danach wird der Text in die Amtssprachen der EU übersetzt. Die formelle Bestätigung des Gesetzestexts könnte dann auf der ersten Sitzung des Rats im März 2023 stattfinden. Das Europäische Parlament könnte im März 2023 seine Zustimmung erteilen, nachdem der EP-Umweltausschuss im Februar 2023 grünes Licht gegeben hat.

Für mittelgroße und Große Unternehmen wird die Verordnung ein 1,5 Jahre nach Verabschiedung in Kraft treten (also voraussichtlich Frühling bis Sommer 2024), für Kleinst- und Kleinbetriebe zwei Jahre nach Verabschiedung (also voraussichtlich Frühling 2025).