Moin liebe Genoss*innen und liebe Europa-Interessierte,
Was für ein ereignisreiches Jahr 2021 nun fast hinter uns liegt! Ich glaube, wir alle hätten uns gewünscht, weiter in der Pandemiebekämpfung zu sein und viele Dinge wieder “normaler” ablaufen zu lassen. Auch die Arbeit im Europäischen Parlament war dieses Jahr weiterhin von Hybridsitzungen, gesundheitspolitischen Fragestellungen sowie dem Wiederaufbau geprägt. Ich möchte meinen letzten Newsletter dieses Jahr nutzen, um auf einige persönliche politische High- und Lowlights zu schauen. Es lohnt sich bis ans Ende des Newsletters zu scrollen. Dort wartet ein ganz besonderes Highlight.
Und ich möchte dieses Vorwort nutzen, um einfach mal ein „Danke“ an Sie und euch zu richten, für die vielen positiven Reaktionen und das konstruktive Feedback auf meinen Newsletter und meine Arbeit. Bleiben Sie/ bleibt gesund, eine erholsame Weihnachtszeit sowie einen guten Rutsch ins neue Jahr!
HIGHLIGHT 1: Lieferkettengesetz gegen Entwaldung
Kommission veröffentlicht Gesetzesvorschlag
Mein ganz persönliches Highlight in diesem Jahr: Im November kam die Europäische Kommission unserer Forderung nach einem EU-Lieferkettengesetz gegen Entwaldung nach. Damit möchte sie EU-importierte Entwaldung stoppen, und zum Schutz wichtiger Ökosysteme beitragen. Unter meiner Federführung hatten wir als Europäisches Parlament bereits im vergangenen Jahr einen Vorschlag gemacht, wie so ein Gesetz aussehen könnte. Dass die Kommission diesem Druck nun nachgibt und viele unserer Forderungen übernimmt, ist ein riesiger Erfolg. Es wird Zeit, dass Unternehmen endlich nachweisen, dass ihre Produkte nicht zur Zerstörung von Regenwäldern geführt haben!
HIGHLIGHT 2: EU-Klimagesetz
Kompromiss statt Stillstand
Im April 2021 gab es auch endlich eine Einigung zum europäischen Klimagesetz. Klar: ich hatte für ein höheres Ziel gekämpft. Aber Kompromiss ist wichtiger als Stillstand! Das Gesetz schreibt erstmals das Ziel der Klimaneutralität gesetzlich fest. Mit der Einführung eines EU-Treibhausgasbudgets und dem neuen wissenschaftlichen EU-Klimabeirat, der der Kommission und den Mitgliedstaaten auf die Finger schaut, wird das Motto ‚listen to science‘ der Klimabewegung in der EU-Klimapolitik verankert. Diese Instrumente könnten in Zukunft wichtige Hebel sein, die EU auf Spur zu halten, um ihren internationalen Klimaverpflichtungen nachzukommen.
HIGHLIGHT 3: Fit-for-55 Paket
Konkrete Schritte für das 2030-Reduktionsziel
Und noch ein Erfolg im Bereich Klima und sozial-ökologische Transformation: Mit dem Fit-for-55 Paket stellte die Europäische Kommission im Juli unter Beweis, dass Sie den Ernst der Lage verstanden hat und bereit ist zu handeln. Das Paket beinhaltet 12 Gesetzesvorschläge, mit denen das Emissionsreduktionsziel von mindestens 55% bis 2030 erreicht werden soll. Dazu sind Maßnahmen in allen Bereichen vorgesehen: vom Verkehr bis zum Heizen, von der förderung erneuerbarer Energien über CO2-Zertifikate hin zum Schutz von Klimaretter*innen wie Wäldern, Wiesen und Co. Ich selbst werde mich als Schattenberichterstatterin für die Verordnung über Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft kurz LULUCF (Land Use, Land Use Change and Forestry).
EU-Kommission stellt „Fit for 55“ Paket vor
HIGHLIGHT 4: Bundestagswahl 2021
Last but not least: Die Bundestagswahl darf natürlich in keiner Highlight-Liste aus dem Jahr 2021 fehlen. Nicht nur, weil wir seit 16 Jahren wieder eine SPD-geführte Regierung haben. Auch was sich die Ampel-Koalition sowohl in Bezug zur EU allgemein (Ziel eines föderalen europäischen Bundesstaates, Initiativrecht des Europäischen Parlaments, Rechtsstaatlichkeit gewährleisten, Geflüchtete schützen etc.) als auch bei den Themen Klima-, Umwelt- und Naturschutz vorgenommen hat (Ausbau Erneuerbare, Kohleausstieg bis 2030, Rückendeckung für EU-Lieferkettengesetz, Reform der europäischen Landwirtschaftspolitik etc.), kann sich wirklich sehen lassen!
LOWLIGHT 1: Instrumentalisierung von Geflüchteten
Zu einem ehrlichen Jahresüberblick gehören aber natürlich auch die Schattenseiten. Ein absoluter Tiefpunkt war und ist die Lage der Geflüchteten an der belarussisch-polnischen Grenze. Noch immer sind Geflüchtete in Belarus im Niemandsland gefangen, da Polen die Grenzen dicht gemacht hat. Hinzu kommen Berichte über illegale Push-Backs durch die polnischen Grenzbeamten. Und die Europäische Kommission? Hat eine Reihe vorübergehender Asyl- und Rückführungsmaßnahmen vorgelegt, die vor allem eines bedeuten: Die Kommission will bei Push-backs und willkürliche Inhaftierungen, vorübergehend, ein Auge zudrücken.
LOWLIGHT 2: Anhaltende Auseinandersetzungen über Rechtsstaatlichkeit
Leider fällt der Name Polen auch beim zweiten Lowlight. Denn sowohl die polnische PiS-Regierung als auch Orbáns Fidesz-Partei in Ungarn bauen den Rechtsstaat immer weiter ab. Und auch hier schaut Ursula von der Leyen weitestgehend zu. Dabei haben wir in der EU mit dem “Rechtsstaats-Konditionalitäts-Mechanismus” seit Januar ein Instrument, mit dem wir die Auszahlung von EU-Geldern an Mitgliedsstaaten einfrieren können, wenn ein Land europäische Werte missachtet. Da die Kommission diesen aber nicht anwendet, mussten wir als Europäisches Parlament eine Untätigkeitsklage gegen die Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof einreichen.
LOWLIGHT 3: Enttäuschende Reform der EU-Landwirtschaftspolitik
Leider wird uns die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), die wir dieses Jahr beschlossen haben, in keinster Weise helfen, die Klimakrise oder das Artensterben zu bekämpfen. Auch werden durch sie weiterhin kleine und mittlere Höfe zum Aufgeben gezwungen, weil die Fördermittel größtenteils an multinationale Holdings gehen. Meine Kollegin Maria Noichl und ich hatten uns zuvor uns für eine Reform eingesetzt, die genau das verhindert. Das haben die Konservativen aber verhindert und die Europäische Landwirtschaft damit weiter in eine Sackgasse getrieben, die nicht mit den Zielen des Green Deals vereinbar ist.
LOWLIGHT 4: Neuer Wald-Bericht geht an EVP
Leider gibt es aber nicht nur gute Neuigkeiten zum Kommissionsvorschlag für ein Lieferkettengesetz gegen Entwaldung. Eigentlich sieht die politische Kultur des Europäischen Parlaments vor, dass wir als S&D die Position zum neuen Kommissionsvorschlag erarbeiten, da ich als Sozialdemokratin bereits den ersten Vorschlag erarbeitet habe. Mit dieser Tradition hat die christdemokratische EVP-Fraktion aber gebrochen und sich die Berichterstattung zum Vorschlag der Kommission geholt. Sie wird nun versuchen, einen agrarindustriefreundlichen Vorschlag zu erarbeiten. Hier werden wir aber im kommenden Jahr umso stärker für eine progressive Mehrheit kämpfen!
Ausblick
Ihr seht also: In vielen Bereichen gab es wichtige Fortschritte in diesem Jahr. Die Themen Migration, Rechtsstaatlichkeit, Landwirtschaftspolitik und entwaldungsfreie Lieferketten sind aber nur einige Beispiele, bei denen wir weiter dran bleiben müssen als Sozialdemokrat*innen, um für ein nachhaltigeres und solidarischeres Europa einzustehen. Die am 1. Januar beginnende französische Ratspräsidentschaft sowie die neue deutsche Bundesregierung werden hier seitens der Mitgliedstaaten neue Schwerpunkte setzen. Auch im kommenden Jahr wird es darum gehen, die vielen Vorschläge aus dem European Green Deal Wirkichkeit werden zu lassen, indem wir für progressive Mehrheiten im Parlament streiten. Und last but not least: Natürlich wollen wir im neuen Jahr auch die Mehrheiten im Land veränden – ich freue mich auf den Landtagswahlkampf mit Thomas Losse-Müller. Die Zeit des Jamaika Stillstands müssen vorbei sein. Unser Land kann viel mehr!
Unsere Bürohündin und Feelgood-Managerin Frieda wünscht allen erholsame Feiertage und einen guten Rutsch!