Der EU-Migrationspakt. Neuanfang oder doch nur Verrechtlichung des Status Quo?

23.09.2020 | Migration und Flucht

Der am 23. September von der Kommission vorgestellte Migrationspakt, sollte ein „Neuanfang“ sein. Es sollte um Solidarität gehen. Anscheinend nur zwischen den EU-Ländern. Von Solidarität mit den Menschen, die in Europa Schutz suchen? Hat man nicht viel gehört. Meine erste Einschätzung und offene Fragen.

Es wäre schön, wenn mehr Mitgliedstaaten sich freiwillig entschieden hätten, mehr Geflüchtete aufzunehmen. Dies war und ist allerdings nicht der Fall. Kompromissfindung mit Ländern wie Ungarn, Polen oder Österreich, kann nicht einen Ausverkauf sozialer und humanitärer Werte bedeuten. Der neue Pakt sieht vor, dass Mitgliedstaaten, die keine Menschen aufnehmen können oder wollen, stattdessen Rückführungen übernehmen können. Hierfür hätten sie 8 Monate Zeit. Wenn sie es in dieser Zeit nicht schaffen, eine nicht-asylberechtigte Person abzuschieben, müssen sie sie selbst aufnehmen. 8 Monate sind keine lange Zeit und ich befürchte, dass es zu Schnellverfahren kommt, die den komplexen Fluchtursachen und Hintergründen der einzelnen Personen nicht gerecht werden. Allen Schutzsuchenden steht Zugang zu einem fairen und menschlichen Asylverfahren zu. Zeitdruck und „Effizientes Management“ haben bei solchen Entscheidungen nichts zu suchen. Auch problematisch: Die Zuständigkeit für die Durchführung des Verfahrens verbleibt bei den Ankunftsstaaten. Ich kann mir aktuell noch nicht vorstellen, wie das die so wichtige Entlastung der Länder mit EU-Außengrenzen bringen soll. Zustände wie in Lagern wie Moria sind unerträglich. Lager in dieser Art darf es nicht mehr geben! Wer garantiert die Einhaltung der Rechte der Menschen vor Ort, wer schreitet bei illegalen Abschiebungen ein? Was passiert mit den Menschen die aktuell überall in Europa auf ihre Asylentscheidung warten? Wird es auf Lesbos in Zukunft menschenwürdige Unterbringungen geben oder lassen wir Geflüchtete auch im Winter noch in Zelten schlafen?

Diese und viele andere Fragen sind für mich weiterhin offen. Wie ein Neuanfang lesen sich die Vorschläge nicht. Eher wie eine Verrechtlichung des Status Quo.