Die COP27 ist noch nicht abgeschlossen. Noch steht der finale Text der Abschlusserklärung dieser COP nicht. Das finale Dokument könnte erst Sonntag vorliegen.
Bisher gab es auf dieser COP viele kleine Fortschritte, der große “Klima-Wumms” blieb noch aus. Doch ein neuer Kompromissvorschlag der EU für einen Fonds für klimabedingte Schäden und Verluste könnte neue Bewegungen in den Verhandlungsendspurt bringen.
Den Verhandlungszwischenstand und die neuen Kompromissvorschläge kommentiert die Europaabgeordnete Delara Burkhardt (SPD), die als Teil der Verhandlungsteams des Europäischen Parlaments auf der COP27 in Ägypten war.
Delara Burkhardt ist Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament und umweltpolitische Sprecherin der SPD-Europaabgeordneten.
O-Töne:
(für entsprechende Audiodateien, wenden Sie sich gerne an unser Büro)
„Ich möchte mit einem großen Dank an die Klima- und Menschenrechts-Aktivist*innen einsteigen. Wir sehen Klimaproteste als normal an. Wir haben der Klimabewegung viel zu verdanken. Ohne Fridays for Future und Co. gäbe es in der EU keinen Green Deal. Hier in Ägypten, so wie in vielen anderen Teilen der Welt, ist Klima- und Menschenrechtsaktivismus aber nicht selbstbverständlich. Das habe ich vor Ort deutlich gemerkt. Daher ist es gut, dass die Weltgemeinschaft bei dieser COP auch auf die Menschenrechtslage des Gastgeberlands geschaut hat. Ich hoffe, sie wird nach Ende der COP nicht wieder wegschauen.“
„Die EU hat mit ihrem Kompromissvorschlag für einen Fonds für klimabedingte Schäden und Verluste neue Bewegung in die Klimaverhandlungen gebracht. Der sieht einen Fahrplan für einen Fund vor, der allerdings konkret für die am stärksten betroffenen Staaten zur Verfügung stehen soll. Es handelt sich hier um einen sehr guten Vorschlag der EU, der einen signifikanten Fortschritt bedeutet. Der Vorschlag ist eine gute Balance zwischen solidarischer, konkreter Finanzierung von Schäden und Verlusten durch die reichen Länder, sowie einer gemeinsamen Verpflichtung zu einem höheren Tempo bei der CO2-Reduzierung. Gleichzeitig wird dabei berücksichtigt, dass sich die Welt seit Gründung des UN-Klimasekretariats Anfang der 1990er gewandelt hat. Ehemals ärmere Staaten sind heute Großemittenten mit höherem Wohlstand, oder sind durch Fossile reich geworden (z.B. China, Saudi-Arabien, Katar). Sie müssen mehr Verantwortung übernehmen.”
„Wir sind derzeit nicht auf dem Weg, das 1,5-Grad-Limit – ich sage absichtlich nicht “Ziel”, sondern “Limit” – einzuhalten. Wenn diese COP scheitert, ist das ein Scheitern für alle. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Wir sind nicht nach Scharm el-Scheich gekommen, nur um Glasgow zu bestätigen. Wir sind nach Scharm el-Scheich gekommen, um auf Glasgow aufzubauen und um weiterzugehen. Mir sind die Schritte bisher zu klein.“
„Ich begrüße es sehr, dass die EU ihr Klimaziel anheben wird: Die Ankündigung von Frans Timmermans, das EU-Klimaziel für die Reduzierung der Kohlenstoffemissionen bis 2030 von derzeit 55 % auf 57 % zu erhöhen, darf aber nur ein Zwischenschritt bleiben. Die EU kann mit einer ambitionierten Umsetzung des Fit-for-55-Klimapakets und der RepowerEU-Initiative zur Energieunabhängigkeit von Russland noch stärkere CO2-Reduktionen von deutlich über 60% schaffen“
„Ich hatte die Hoffnung, dass diese COP deutliche Worte und Handlungsanweisungen finden würde als die vergangene COP in Glasgow: Ein klares Bekenntnis zum 1,5-Grad-Limit und die Beauftragung der Vertragsstaaten, sofort neue Klimapläne vorzulegen, sowie ein Aufruf zum Ende aller fossilen Energieträger. Der bisherige Entwurf tritt auf der Stelle, was nach einem weiteren Jahr mit zahlreichen Wetterextremen, Klimakatastrophen und einer fossilen Energiekrise sehr ernüchternd ist.”
“Lange wurden die Klimakrise und die Biodiversitäts-Krise, der rapide Rückgang der globalen Artenvielfalt, als getrennte Themen behandelt. Realität ist aber, dass das Limit der 1,5°C einhalten zu können, ohne Schutz und Wiederherstellung der Natur nicht möglich sein wird. Dieser Zusammenhang wurde über die Konferenz hinweg immer wieder verdeutlicht und es wurden Schritte unternommen, um die Selbstverpflichtung einiger Staaten, die Entwaldung bis 2030 aufzuhalten, zu formalisieren.”
Weitere Erfolge der COP27
- Klimabedingte Verluste und Schäden standen zum ersten mal auf der offiziellen Agenda einer UN-Klimakonferenz. Ein starkes Signal hat hier Entwicklungsministerin Svenja Schulze gesetzt. Mit ihrer Initiative für einen „Globalen Schutzschild gegen Klimarisiken“ wird ein Instrument geschaffen, mit dem Klimarisiken im globalen Süden ohne weitere Verzögerungen angegangen werden können. Es ist ein wichtiger Zwischenschritt, eine Brücke, bis es einen permanenten UN-Mechanismus gibt.
- Die EU zeigt sich erstmals bereit, einen Fonds für klimabedingte Schäden und Verluste auf UN-Ebene einzurichten und hat einen guten Kompromissvorschlag dazu vorgelegt.
- Die EU hat angekündigt, ihr Klimaziel anzuheben. Dies hätte jedoch früher und ambitionierter geschehen können (mit Fit for 55 und RepowerEU ist ein Ziel von deutlich über 60% möglich).
- Die Just Energy Transition-Partnerschaften machen Schule: in Glasgow hat Südafrika eine solche Partnerschaft, u.a. mit Deutschland und der EU-Kommission geschlossen, um einen sozialgerechten Ausstieg aus der Kohleverstromung zu organisieren. Eine ähnliche Partnerschaft ist nun auch Indonesien eingegangen. Vietnam steht kurz vor dem Abschluss so einer Partnerschaft.
Wo die COP27 nicht geliefert hat:
- Die Forderung nach dem Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen, wie wir als EU und Indien es gefordert hatten, wird wahrscheinlich nicht im Abschlussdokument enthalten sein. Wir brauchen keinen Phase-down von Kohle, sondern einen Phase-out aller Fossilen.
- Die USA tun zwar endlich mehr im eigenen Land, um ihren Klimafußabdruck zu verringern, sind auf der internationalen Bühne aber noch zu zurückhaltend. Präsident Biden konnte leider keine neuen Gelder für die internationale Klimapolitik mitbringen, da er nicht über die dafür notwendige Mehrheit im US-Kongress verfügt.
- In Glasgow hatten sich 2021 sich fast alle Staaten der Welt darauf geeinigt, ihre Klimapläne im Vorfeld der diesjährigen COP zu überarbeiten. Doch nur wenige Länder haben dies tatsächlich getan. Die Europäische Kommission hat es versäumt, eine offizielle Aktualisierung der EU-Klimazusagen vor Beginn der COP27 herauszugeben, um unser neues Klimaziel in eine verbindliche internationale Verpflichtung umzuwandeln. Auf diese Weise hätte die Europäische Union als Schrittmacher fungieren können, um schon vor der COP27 Momentum zum Einhalten der 1,5-Grad-Marke zu schaffen. Mit der EU, der Türkei und Indien haben immerhin einige der größeren CO2-Emittenten neue – wenn auch noch unzureichende – Zusagen gemacht. Auch wenn einige wichtige Staaten neue Klimaversprechen auf der COP27 im Gepäck hatten, müssen noch viel mehr Staaten nachlegen. Die Lücke zum 1,5-Grad-Limit ist noch viel zu groß. Mit den derzeitigen Klimaplänen der Weltgemeinschaft rasen wir auf einen Temperaturanstieg von etwa 2,5 Grad Celsius zu, wie die UN vor der COP27 berechnet hat.
- Gleichberechtigung/Repräsentation: Wieder viel zu wenig Frauen! Eine Analyse der BBC hat ergeben, dass Frauen weniger als 34 % der Verhandlungsteams der Länder auf dem UN-Gipfel in Ägypten ausmachen. Die Hälfte der Weltbevölkerung sind Frauen und viele von ihnen sind schon heute stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Fakt ist, dass Frauen durch den Klimawandel unverhältnismäßig stark belastet werden. Ich bin über diese ungleiche Verteilung sehr enttäuscht, darf aber die EU hier auch nicht ausnehmen – unsere EP-Delegation hat eine Quote von 4/11.
Hintergrund zu Loss and Damage (L&D)
77 Länder des globalen Südens und China (“G77 + China”) haben gefordert, dass es schon auf der COP27 eine Entscheidung für einen L&D-Fonds geben muss. Sie fordern, dass der Entwicklungsstatus der Länder aus den 1990ern dabei als Grundlage für die Einordnung genutzt wird, wer in solch einen Fonds einzahlt und wer Gelder erhält. Frans Timmermans hat deutlich gemacht, dass das ein No-Go ist. Laut ihm muss der heutige Entwicklungsstatus zu Grunde gelegt werden, da sich viele Länder in den letzten Jahrzehnten enorm entwickelt haben, reicher geworden sind und mittlerweile selber einen großen Beitrag zum Klimawandel leisten. Beispielsweise müsse China in so einen Fonds einzahlen. statt Mittel zu beziehen. Die G77 will, dass alle Entwicklungsländer von dem Fonds profitieren. Laut dem Umweltkommissar sollten allerdings nur die am stärksten betroffenen Staaten Mittel erhalten. Timmermans schlägt vor, dass schon nächstes Jahr in Dubai über die L&D-Fazilität entschieden wird.