Krise in Bosnien und Herzegowina
Beobachter*innen warnen seit Monaten vor einer Eskalation der Konflikte in Bosnien und Herzegowina. Heute haben sich die Außenpolitiker*innen im Europäischen Parlament im entsprechenden Ausschuss über EU-Fördergelder für Bosnien und Herzegowina ausgetauscht (AFET).
Dietmar Köster, außenpolitischer Sprecher der SPD-Europaabgeordneten und Schattenberichterstatter für Bosnien und Herzegowina:
„Die Spannungen in Bosnien und Herzegowina sind enorm. Das Land befindet sich zweifellos in der tiefsten politischen Krise seit dem Friedensabkommen von Dayton 1995. Die Parteien mit einem nationalistisch-ethnischen Ansatz tragen alle dazu bei. Die serbisch-nationalistischen Kräfte um Milorad Dodik sind hauptverantwortlich. Mit seinem Rückzug aus den gesamtstaatlichen demokratisch legitimierten Institutionen fördert er die Sorgen der Bürger*Innen, dass die staatlichen Institutionen Bosnien-Herzegowinas aufgelöst werden und damit die gesamte Republik destabilisiert wird.
Durch die scharfe Rhetorik Dodiks im Januar, anlässlich der verfassungswidrigen Feierlichkeiten eines verbotenen nationalistischen Feiertages, hetzte er seiner Anhänger auf. Dies führte zu nationalistischen und islamfeindlichen Übergriffen. Die Lage bleibt höchst besorgniserregend. Die Zivilbevölkerung verliert zunehmend das Vertrauen in die europäischen Institutionen. Das zeigt, wie dringend es ist, Bosnien und Herzegowina stärker auf die Agenda der Europäischen Union zu setzen. Wichtig ist dabei, dass die EU den Druck auf Dodik erhöht, die Blockade der gesamtstaatlichen Ebene von Bosnien und Herzegowina aufzugeben. Weiter müssen die Voraussetzungen für demokratische, faire und freie Wahlen in der zweiten Jahreshälfte geschaffen werden. Eine Wahlrechtsreform muss dem Prinzip folgen, dass allen Bürger*innen unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit alle demokratischen Rechte zustehen. Kurzfristige Zugeständnisse auf Dodiks rhetorische Eskalationen sind nicht zielführend.“
Delara Burkhardt, erste stellvertretende Vorsitzende der Delegation für Bosnien und Herzegowina sowie Kosovo im Europäischen Parlament:
„Es ist jetzt von größter Wichtigkeit, dass wir den direkten Draht zu der Zivilgesellschaft und zu den mutigen Akteuren verstärken, die einen Willen sowie Ideen für eine nachhaltige und gerechte Zukunft für Bosnien und Herzegowina haben. Die Eskalation des Ethno-Nationalismus hat das Land aktuell in die schwerste politische Krise seit 26 Jahren getrieben. Wir verurteilen die Bemühungen von Akteuren der Republika Srpska, – angeführt von Milorad Dodik – das Land zu spalten und ein ‚Großserbien‘ zu errichten. Die Menschen vor Ort hoffen in dieser angespannten Situation zu Recht auf die Unterstützung der EU. Die Antwort der EU-Kommission allerdings beschränkt sich auf auffälliges Schweigen. Das ist besorgniserregend und bestärkt nur die nationalistischen Akteure. Europa muss sich solidarisch mit seinen demokratischen Partnern in Bosnien und Herzegowina zeigen, indem es präzise Sanktionen gegen die Akteure um Milorad Dodik herum ausspricht, das Amt des Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina stärkt und diejenigen unterstützt, die das Land verbessern wollen – und nicht die, die Unterschiede schaffen!“