Ich muss etwa 10 Jahre alt gewesen sein. In den Schulferien hat mein Vater immer den Beamer von der Arbeit geliehen und wir haben dann viel ferngesehen. Ich erinnere mich noch genau an einen Abend. Da haben wir Dornhelms Film über die Lebensgeschichte Anne Franks gesehen. Ich saß warm und geborgen mit meiner Familie auf dem Sofa. Und erinnere mich genau an den Moment, wo Anne Frank und ihr Vater während der Deportation nach Auschwitz voneinander getrennt wurden. Ich habe das Gesicht im Arm meines Vaters vergraben und geweint. Diese Ohnmacht, Wut. Die kam und kommt auch viele Jahre später immer wieder hoch. Wenn ich mich in der Schule, bei den Jusos und in Museen mit der Shoah, diesem Menschheitsverbrechen beschäftigte. Immer wieder weinte, aber auch mehr verstand.
Ich war mit unseren israelischen Genoss*innen sechsmal in Yad Vashem. Jedes Mal habe ich geweint. Jedes Mal habe ich dazugelernt. Anschließend im Willy-Brandt-Zentrum Jerusalem, diesem Ort der Begegnung, in so intensiven Gesprächen, die Perspektiven von Menschen, die so alt sind wie ich, auf die Shoah lernen dürfen. Deren Familien es waren, die zerrissen, ausgelöscht, ermordet wurden. Mehr weinte, mehr verstand.